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„Wir vertreiben den Grauschleier und bringen Farbe ins Leben“

 Von Obermeister Josef Vomberg, Maler- und Lackierer-Innung Heinsberg

 

„Wir vertreiben den Grauschleier und bringen Farbe ins Leben“  Von Obermeister Josef Vomberg, Maler- und Lackierer-Innung Heinsberg

Von Wilhelm Busch stammt der Satz: „Hier herrschen Schönheit und Geschmack: Es riecht nach Farbe und nach Lack.“ Kürzer und treffender kann man unser Handwerk kaum beschreiben. Haben Sie sich schon einmal vorgestellt, wie die Welt ohne Maler und Lackierer aussähe? Ich möchte mir dieses triste Bild von einer farblosen Umgebung gar nicht erst ausmalen – schließlich ist längst erwiesen, wie sehr Farbe unser Wohlbefinden beeinflusst. Ein Leben ohne Farbe? Undenkbar!

Wir Maler und Lackierer sorgen dafür, dass unsere Städte, Fassaden und Wohnungen, unsere Schulen und Betriebe bunt sind. In einem Satz: Wir vertreiben den Grauschleier und bringen Farbe ins Leben. Mit unserem Wissen und Können schaffen wir eine menschlichere Umwelt.

Es wäre jedoch zu kurz gegriffen, wollte man unsere Arbeit nur in die Kategorie „Schöner wohnen“ einordnen. Neben der schmückenden hat unser Handwerk eine erhaltende Aufgabe. Denn ohne die passende Schutzbeschichtung würden Holz, Eisen und andere Materialien schnell verrotten. Angesichts der stark gestiegenen Umweltbelastungen ist dieser Aspekt unserer Arbeit heutzutage sogar noch weitaus wichtiger als früher.

Wie aggressiv unsere Umwelt inzwischen ist, zeigt sich daran, dass Gebäude, die früher Jahrzehnte, ja teilweise sogar Jahrhunderte gehalten haben, heute in wenigen Jahren erhebliche Schäden aufweisen. Nehmen wir nur einmal den Werkstoff Beton: Früher hat man geglaubt, dass Gebäude aus diesem Material quasi für die Ewigkeit errichtet wären. Inzwischen wissen wir längst, dass Umweltgifte auch diesen eigentlich unverwüstlichen Werkstoff angreifen und zerstören. Um die Sanierung der schadhaften Oberflächen an Gebäuden, Balkonen, Treppen oder Brücken kümmern sich Maler und Lackierer – mit Hilfe ausgeklügelter Technik. Dazu gehören etwa ein Injektionsverfahren, um Mauerwerk trockenzulegen, oder der Einsatz spezieller Sanierputze.

Der vielleicht faszinierendste Aspekt an unserem Beruf ist die Vielseitigkeit. Kaum ein anderes Handwerk bietet eine solch große Bandbreite an unterschiedlichen Aufgaben und Problemstellungen. Das beginnt bei der Gestaltung von Woh-nungen und Büros, geht weiter mit Fassaden-, Industrie- und Brückenanstrichen sowie Beton-Oberflächen- und Asbestsanierungen und endet bei der Denkmalpflege, der Restaurierung alter Gemälde, Schriftenmalereien und kniffligen Vergolde-Arbeiten.

Neben diesen klassischen Aufgaben hat sich das Maler- und Lackiererhandwerk in den letzten Jahren viele neue Arbeitsfelder erschlossen. Aktuelle Beispiele dafür sind die Baufugentechnik, also das Schließen von Fugen im Hochbau,  oder der Trockenbau. Aber wir beschäftigen uns auch mit neuen schonenden Strahlverfahren für Reinigung von Natursteinen, mit der Entfernung von Graffiti oder mit Anti-Graffity-Systemen – all das sind Aufgaben für moderne Malerbetriebe.

Nur in sehr gedämpften Farben kann man das Bild von der wirtschaftlichen Situation in unserem Handwerk zeichnen. Schon seit Jahren kämpfen wir mit geringen Umsatzrenditen, Schwarzarbeit, der äußerst schwachen Baukonjunktur und der Konkurrenz von Baumärkten und „Do it yourself“. Die Betriebe beurteilen ihre wirtschaftliche Lage so schlecht wie seit zehn Jahren nicht mehr. Kein Wunder, liegen doch die durchschnittliche Umsatzrentabilität bei gerade einmal 1,6 Prozent und die Eigenkapitalquote bei nur 13 Prozent. Da fällt es vielen Unternehmen schwer, die Konjunkturflaute unbeschadet zu überstehen, zumal auch die Zahlungsmoral unserer Auftraggeber immer schlechter wird.

Was wir jetzt brauchen, sind klare politische Signale: Die Lohnzusatzkosten müssen runter! In unserem Handwerk liegt der Lohnkostenanteil bei 85 Prozent. Außerdem fordern wir seit Jahren einen reduzierten Mehrwertsteuersatz für Renovierungs- und Sanierungsleistungen des Maler- und Lackiererhandwerks. Nur so kriegen wir das leidige Thema Schwarzarbeit in den Griff. Das Beispiel Frankreich zeigt, dass diese Maßnahme viele positive Impulse bringt.

Insgesamt hat sich der Markt für Maler- und Lackiererarbeiten in den vergangenen Jahren massiv verschlechtert. Und eine Trendwende ist derzeit nicht absehbar. Tatsache ist: Die Einkommensschere in Deutschland geht immer weiter auseinander. Der Teil der Bevölkerung, der sich einen Maler leisten kann oder will, nimmt ab. Dementsprechend wächst der Anteil der Do-it-yourselfer. Ein großer Teil der Farben wird inzwischen für Baumärkte produziert.

Hinzu kommt: Früher – und damit meine ich vor allem die 50-er und 60-er Jahre – hatte die Arbeit der Maler und Lackierer noch einen höheren Stellenwert. Die Leute waren bereit, Profis zu beauftragen, und auch damals mussten sie schon drei oder vier Stunden arbeiten, um eine Handwerkerstunde bezahlen zu können. Heute hingegen investiert man lieber in ein neues Auto oder eine Fernreise.

Auch die Investition in Energiesparmaßnahmen (Wärmedämmung) ist derzeit nicht attraktiv genug. Dabei läge hier noch ein riesiges Potenzial brach. Gleichzeitig sehe ich hier eine große Herausforderung für unsere Branche, eben diese Potenziale durch geschicktes Marketing zu wecken.

Sehr bedenklich ist das Verhalten der öffentlichen Hand, die wegen der knappen Kassen dringend notwendige Renovierung und vor allem Instandhaltungen an Schulen, Kindergärten und  anderen Gebäuden oft hinauszögert. Das drückt nicht nur auf die Umsätze der Maler und Lackierer. Auf lange Sicht kommen auf die Kommunen deutlich höhere Kosten zu, weil irgendwann teure Sanierungen unausweichlich sind. Dabei wäre es viel vernünftiger und preiswerter, die Gebäude kontinuierlich in Schuss zu halten.

Trotz dieser wirtschaftlich nicht eben rosigen Entwicklung besteht kein Grund zur Resignation. Es gibt auch heute Perspektiven. Ein Zukunftsmarkt für unser Handwerk liegt sicher in der Zusammenarbeit vieler Spezialisten, die auch komplexe Projekte aus einer Hand anbieten können. Denn einerseits machen es die zahlreichen Ar-beitsfelder des Maler- und Lackiererhandwerks unmöglich, auf jedem Gebiet gut und konkurrenzfähig zu sein. Also müssen sich mehr und mehr Betriebe spezialisieren, beispielsweise auf Betonsanierung, Wärmedämmung, Korrosionsschutz oder hochwertige Gestaltungstechniken. Andererseits will sich ein Kunde nicht mit vielen Spezialisten auseinander setzen müssen. Er möchte gerne einen Ansprechpartner. Darauf müssen sich unsere Betriebe einstellen.

Unser Handwerk hat es schon immer verstanden, schnell auf neue Trends und Moden zu reagieren. Derzeit ist Feng Shui, die chinesische Kunst von der harmonischen Gestaltung der Lebensräume, sehr aktuell. Dabei kommt es ganz wesentlich auf die Farben an – und das ist natürlich eine Sache für Maler und Lackierer.

Ebenfalls groß im Kommen sind Lasur- und Wischtechniken für die kreative Wandgestaltung. Inzwischen sind die dazu notwendigen Produkte „industrialisiert“ worden. So werden diese bislang exklusiven und teuren Techniken jetzt auch für „Otto Normalverbraucher“ interessant. Darüber hinaus spielt der „Öko-Trend“ eine wichtige Rolle: Immer mehr Kunden entscheiden sich für Biofarben und Naturbaustoffe, etwa für Lehmprodukte.

Ein so vielfältiges und modernes Handwerk wie die Maler und Lackierer braucht eine moderne Interessenvertretung. In unserer ziemlich genau 100 Mitglieder zählenden Innung setzen wir auf drei Säulen: Politik, Kultur und Bildung.

Den Kontakt zur Politik halten wir, indem wir Diskussionsabende mit Bundestagsabgeordneten veranstalten oder Kommunalpolitiker zu unseren Innungsversammlungen einladen. Das kulturelle Ereignis jeden Jahres ist das Treffen der Lucas-Gilde, die wir 1988 gegründet haben. Die Lucas-Gilde ist eine Vereinigung von namhaften Persönlichkeiten aus Handwerk, Wirtschaft, Wissenschaft und Politik, die den Innungsmitgliedern ihr Wissen und ihre Erfahrung zur Verfügung stellen.

Das Aushängeschild unserer Innungsarbeit ist die Arbeitssäule Bildung. Die Erfolge der überbetrieblichen Ausbildung unserer fast 80 Lehrlinge können sich landesweit sehen lassen. Für die Weiterbildung unserer Innungsmitglieder haben wir 1976 eine eigene Bildungsgemeinschaft gegründet, die auch (Ehe-)Partnern, Mitarbeitern und wichtigen Geschäftspartnern offen steht.

Was anfänglich als Schulung und Wissensauffrischung gedacht war, ist im Laufe der Jahre zu einem regelrechten Kulturprogramm geworden. Zusätzlich zur fachlichen Weiterbildung haben inzwischen mehr als 170 Vorträge über Kunst- und Kulturgeschichte, Länder, Städte und Religionen, über chemische und physikalische Grundbegriffe sowie über Astronomie, Umwelt und die Zukunft der Menschheit stattgefunden. Viele Bildungsreisen und Theaterbesuche ergänzen die umfangreichen Aktivitäten unserer Innung, in der sich zur Zeit ein Generationswechsel vollzieht: Allmählich zieht sich die Nachkriegsgeneration aus dem Innungsleben zurück. Die Jungen kommen nach vorne.

Sie stehen für die Zukunft unseres Handwerks, dessen Wurzeln bekanntlich weit ins Mittelalter zurückreichen. Während dieser langen Zeit haben die Maler und Lackierer immer wieder Schwierigkeiten, Probleme und Herausforderun-gen gemeistert – mit qualitativ hochwertiger, professioneller Handwerksarbeit. Mit diesen Stärken im Rücken müssen wir auch in der aktuellen konjunkturellen Krise nicht schwarz malen, sondern können zuversichtlich nach vorne schauen.

 

Quelle: Dialog - Kreishandwerkerschaft Heinsberg