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Konzentration geht weiter – aber auch die kleinen Betriebe müssen keine kleinen Brötchen backen   

Der Beruf des Bäckers gehört zu den ältesten Berufen der Menschheit. Bereits 4000 Jahre vor Chr. wurde in Ägypten und Babylonien Brot gebacken. Bis heute ist das Bäckerhandwerk ein attraktiver und vor allem kreativer Beruf geblieben, in dem man – anders als in vielen anderen Gewerken – seine Arbeit von Anfang bis Ende sieht. Und obwohl inzwischen eine Vielzahl von Maschinen die Arbeit erleichtert, ist die Bäckerei doch ein Hand-Werk im wahrsten Sinne des Wortes geblieben. Die computergesteuerte Backstraße gibt es vielleicht in den großen Betrieben, nicht aber bei uns handwerklichen Bäckern. 


Sicher: Auch in unserem Gewerk gibt es einen starken Trend zur Größe. Viele Kollegen filialisieren, indem sie bestehende Betriebe übernehmen. In den alten Bundesländern gab es Mitte der fünfziger Jahre noch mehr als 55.000 selbstständige Bäckereibetriebe – heute sind es hier nur noch rund 16.500; das entspricht einem Rückgang um sage und schreibe 70 Prozent.

Im gesamten Bundesgebiet einschließlich der neuen Bundesländer gibt es noch gut 20.000 selbstständige Bäcker. Dabei ist die Zahl der Verkaufsstellen in Deutschland mit rund 51.000 in den letzten Jahren konstant geblieben.
Natürlich ist dem klassischen mittelständischen Bäckerhandwerk durch die Filialisten eine starke Konkurrenz erwachsen, vor allem in den Städten. Allerdings liegt genau darin auch eine Chance: Je größer eine Ladenkette ist, desto straffer muss die Logistik organisiert sein und desto eingeschränkter ist das Sortiment. Im Übrigen verteuern die Transportwege auch die Produkte. Das ist doch ganz klar: Als kleiner Bäcker muss ich nichts transportieren – da sind es gerade einmal 20 Meter vom Ofen bis zur Ladentheke.

Die Kleinen müssen die Lücken finden, die die Größeren lassen. Es werden noch viele handwerkliche Betriebe verschwinden, aber nicht, weil sie verdrängt werden, sondern weil in den nächsten Jahren wieder ein Generationswechsel ansteht. Viele Betriebe finden keinen Nachfolger, weil immer weniger junge Leute bereit sind, das Risiko einzugehen und die Arbeit zu machen. Aber auch der kleine Betrieb muss nicht unbedingt kleine Brötchen backen.

Möglichkeiten gibt es beispielsweise durch Service. Viele Bäcker auf dem Land fahren die Brötchen frühmorgens noch selber aus – fragen Sie mal den Großfilialisten, ob der das auch kann. Und wir können individuell auf Kundenwünsche eingehen, was die großen Ketten auch nicht können. Wenn ein Kunde zu mir kommt und eine bestimmte Torte oder einen Brotkorb für seine Party will – kein Problem, dann machen wir das, auch wenn es eine Einzelanfertigung ist. In unserer Innung haben wir auch einige kleinere Filialisten mit fünf bis acht Filialen. Klar, dass die eine ganz andere Strategie verfolgen müssen. Da kommt es ganz entscheidend auf den Standort an.

Eines allerdings ist für alle Betriebe gleich, ganz egal, ob sie klein oder groß sind: Jeder Bäcker muss die aktuellen Trends auf dem Brotmarkt aufmerksam verfolgen. Denn auch hier gibt es bestimmte Moden. Nehmen wir nur einmal das Beispiel „Giabatta“. Wer kannte das vor zehn Jahren, von eingefleischten Italien-Urlaubern einmal abgesehen? Heute finden Sie das an jeder Straßenecke. Oder nehmen Sie das Körnerbrot: Vor 25 Jahren hat sich dafür noch niemand interessiert. Da gab es Weißbrot, Graubrot und Schwarzbrot – fertig war das Sortiment. Heute hat selbst der kleine Bäcker rund 35 verschiedene Brotsorten im Programm, darunter viele ballaststoffreiche Vollkornprodukte.

Die Kunden ernähren sich immer bewusster. Und davon profitieren Brot- und Backwaren, denn nach den neueren wissenschaftlichen Erkenntnissen sollte der Kohlenhydratanteil in der Ernährung gesteigert und der Fettanteil reduziert werden.

Ein weiterer großer Trend liegt im Snack Bereich. „Convenience“ heißt auf gut Neudeutsch das Stichwort – die Kunden wollen es immer bequemer haben. Das hat etwas damit zu tun, dass die Haushalte immer kleiner und die Arbeitszeiten immer flexibler werden. Da muss für viele Konsumenten die tägliche Verpflegung bequem und schnell zur Verfügung stehen. Viele Betriebe haben darauf flexibel reagiert und die Chancen auf diesem neuen Wachstumsmarkt erkannt.

Brot und Backwaren sind eine sehr gute Basis für kleine Zwischenmahlzeiten. Daher war es für viele Bäcker relativ einfach, ein eigenes Angebot von Snacks zu produzieren. Und während bei vielen Kollegen die Umsätze mit dem Standardsortiment stagnieren oder leicht zurückgehen, können im Snackbereich kräftige Zuwächse erzielt werden. Besonders glücklich sind die Kollegen, die von der Lage und vom Platzangebot her ein (Steh-)Café einrichten können.

Und manche Betriebe beschränken sich dabei nicht auf belegte Brötchen, sondern erweitern ihr Angebot um Salatbars und schnell herzustellende warme Mahlzeiten. Diese Entwicklung ist längst noch nicht abgeschlossen. In Zukunft werden sich möglicherweise die Grenzen zwischen den Berufen in der Ernährungsbranche immer mehr verwischen.

Trotz der neuen Trends: Manche Dinge ändern sich offenbar nie. Das A und O für einen Bäcker ist auch heute noch die Qualität seiner Brötchen. Sind die Brötchen Spitze, hält der Kunde auch das übrige Sortiment für gut. Aber wenn einer schlechte Brötchen hat, dann kann er so gutes Brot und so tolle Torten machen, wie er will – er wird bei seinen Kunden nie ein passables Image haben.

Apropos Image: Zwar sind unsere Produkte gefragt und unser gesamtes Handwerk hoch angesehen – aber arbeiten wollen in diesem schönen Gewerk nur noch wenige. Als Beruf hat das Bäckerhandwerk ein schlechtes Image. Daran sind wir nicht ganz unschuldig, denn in den 70-er Jahren hatten wir schon einmal einen großen Mangel an Auszubildenden, und damals wurde buchstäblich jeder genommen und notfalls mit Ach und Krach durch die Gesellenprüfung gezogen.

Mit der Wirklichkeit von heute hat das allerdings nichts mehr zu tun. Die Anforderungen an den Berufsnachwuchs sind erheblich gestiegen. Ein Bäcker muss viel wissen, ganz abgesehen davon, dass auch die Technik komplizierter geworden ist. Da heute immer mehr programmierbare Gärunterbrecher eingesetzt werden, müssen wir uns mit Kältetechnik auskennen. Wir müssen mit computergesteuerten Backöfen und elektronischen Maschinen umgehen. Die Betriebe in unserer Innung sind da konsequent und stellen längst nicht mehr jeden ein. Denn was will man mit einem Lehrling, der erstens nicht will und zweitens nicht kann?

Natürlich muss ein Bäcker auch früh aufstehen, und das ist nicht jedermanns Sache. Aber wer wirklich Interesse hat, findet in unserem Handwerk eine hervorragende berufliche Perspektive. Dazu trägt auch unsere Innung mit der Überbetrieblichen Ausbildung und einer guten Zusammenarbeit mit der Berufsschule bei. Wobei ich vielen meiner Kollegen eines ins Stammbuch schreiben muss: Sie sollten ihren Gesellen wenigstens den Tariflohn beziehungsweise die Nachtzuschläge zahlen. Dann wird der Beruf auch finanziell attraktiver.

Deutschland ist das Land des Brotes. In keinem anderen Land der Welt gibt es eine größere Vielfalt an Backwaren. In unserem Handwerk werden mehr als 300 Brotsorten und über 1.200 Sorten Kleingebäck und Feine Backwaren hergestellt. Kein Wunder also, dass die Deutschen absoluter Weltmeister im Verzehr von Backwaren sind: Seit Beginn der neunziger Jahre liegt der Pro-Kopf-Verbrauch von Brot und Weizenkleingebäck im Jahr deutlich über    80 kg; dies ist der höchste Wert in der Europäischen Union. Auf den Tag umgerechnet verzehrt damit jeder Bundesbürger im Durchschnitt ein Brötchen und vier Scheiben Brot.

Der eingangs angesprochene Rückgang der selbstständigen Bäckereibetriebe geht natürlich auch an unserer Innung nicht spurlos vorüber. Auch bei uns haben sich ja Anfang 2000 die früheren Bäcker-Innungen Geilenkirchen-Heinsberg und Erkelenz zusammengeschlossen. Derzeit gehören 58 aktive Mitglieder unserer Innung an. Als ich 1980 meinen Betrieb übernahm, hatte die Bäcker-Innung Geilenkirchen-Heinsberg etwa 120 und die Innung Erkelenz 85 Mitgliedsbetriebe.

Angesichts dieser Entwicklung zeichnet sich nicht nur die nächste Fusion ab. Zudem droht aus Kundensicht in unserem ländlichen Raum ein Versorgungsproblem: Denn es besteht durchaus die Gefahr, dass die Dörfer auf der Strecke bleiben – da geht nämlich kein Filialist hin.

Aber zurück zu unserer Innung: Die Fusion hat hervorragend geklappt und der Zusammenhalt bei uns ist gut. Beispielsweise haben wir drei Kegelclubs in unserer Innung, wo sich aktive und pensionierte Bäckermeister regelmäßig treffen. Wo gibt es das sonst?

Auch die Stollenprüfung, die wir alle zwei Jahre im Wechsel mit der Brotprüfung veranstalten, ist eine hervorragende Sache, weil sie unser Image in der Öffentlichkeit fördert und darüber hinaus auch den Verkauf von Stollen ankurbelt. Deshalb verstehe ich auch nicht ganz, dass bei der letzten Prüfung von knapp 60 Mitgliedsbetrieben nur 21 mitgemacht haben. Eine preiswertere Werbung kann es angesichts der umfangreichen Presseberichterstattung doch gar nicht geben!

Auch um den Nachwuchs kümmert sich die Innung. Beispielsweise werden wir demnächst mit den Berufsschulklassen zur BÄKOFA nach Düsseldorf fahren.

Bei dieser Fachausstellung können sich unsere Auszubildenden aus erster Hand über neue Trends in unserem Handwerk und das Angebot unserer Lieferanten informieren.

Zusammengefasst können wir festhalten: Die Zukunft des Bäckerhandwerks ist nicht ungetrübt. Die Marktkonzentration wird weitergehen. Schon 1998 machten 3,1 Prozent aller Betriebe des Backgewerbes rund 50 % des Umsatzes in unserer Branche. Neben den – kleinen und großen – Filialbetrieben wird es für die traditionellen Bäckereien mit nur einer Produktions- und Verkaufsstätte sicher nicht einfach. Aber sie haben eine Perspektive, weil sie nah am Kunden sind und weil die Sortenvielfalt und Frische der Innungsbetriebe bisher ungeschlagen ist. Und Bäcker wird es immer geben, denn ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass irgendwann einmal kein Brot mehr verzehrt werden sollte.

Aus: dialog Heinsberg 1/2001